Classical Tarot Carlo Dellarocca (Tarocco Soprafino)
Das Tarocco Soprafino zählt zu den schönsten Decks in der Geschichte des Tarots überhaupt. Doch wo ist das faszinierende Dellarocca-Gumppenberg-Tarot in jenem Spannungsfeld anzusiedeln, das seit je her das Wesen des Tarot bestimmt? Interessanterweise begann ja die Erfolgsphase des Tarots Ende des 18. Jahrhunderts, also in der Zeit der Aufklärung, einer Epoche, die auch als das Zeitalter der Vernunft gilt.
Zur selben Zeit erhielt es erstaunlicherweise auch einen esoterischen Gehalt. Lagen Vernunft und Mysterium damals so dicht beieinander? Und wie ist es heute?
Die Schönheit liegt in den Karten
Verschiedene Deutungen führen das Tarot auf ägyptische Mysterien zurück, zudem wurde es in die Nähe der Schwarzmagie gerückt oder dem Okkulten zugeordnet. Im Fall des Tarot Carlo Dellarroca ist das Marseiller Tarot mit seiner klassischen Tradition vorbildlich. Ferdinando Gumppenberg hatte sich in den 1830er-Jahren mit dem versierten Illustrator und Kupferstecher Carlo della Rocca (Dellarocca) zusammengetan, um eines der einflussreichsten und berühmtesten Tarot-Decks des 19. Jahrhunderts zu entwickeln: das sogenannte Soprafino-Deck.
Als klassisches Deck beruft es sich explizit auf die christlich-abendländische Tradition und nicht auf die Mysterien, die Kabbala oder andere Geheimlehren. Gleichwohl ist auch dieses Tarot geeignet, einen Blick in das Geheimnisvolle und Verborgene sowie in die Zukunft zu richten.
Tarocco Soprafino - Zwischen Vernunft und Mysterium
Der Deutsche Kartenmacher und -drucker Gumppenberg war seit 1806 in Mailand ansässig, als Wohnsitz ist der noch heute existierende Corsia del Giardino bekannt. Mailand war österreichisch geworden. Der Zusatz "Tarocco Soprafino" geht zurück auf den italienischen Ausdruck "sopraffino" (superfein), was die hohe künstlerische Qualität der Bildschöpfungen Dellaroccas beschreibt. Gumppenberg, der mit seinem italianisierten Vornamen Ferdinando vermutlich schon einige Karten gedruckt hatte, traf mit der Beauftragung Dellaroccas eine folgenschwere Entscheidung. Die Virtuosität, die Ausdrucksstärke und Schönheit der Bildfindungen Dellaroccas machten sowohl den Kartenmacher wie auch den Kupferstecher in ihrem gemeinsamen Tarot, dem Tarocco Soprafino unsterblich.
Die Große Arkana (Classical Tarot)
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Classical Tarot - © Carlo Dellarocca
Im Zeitalter Napoleons – Anpassung war gefragt
Ferdinando Gumppenberg ließ die Rückseiten der Tarot-Karten bisweilen mit einer hintergründige Darstellung versehen, die sich auf den ersten Blick unschuldig gibt: eine landschaftliche Szene mit Dorfweiher, einem Bienenstock und umherschwirrenden Bienen, dazu die Inschrift "F.G. MIL." für "Ferdinando Gumppenberg Milano". Wer sich allerdings vor Augen führt, dass die Biene das Wappentier Napoleon Bonapartes war, mag sich vorstellen, welches Geschick zu jenen Zeiten erforderlich war, um ein Unternehmen wie das des Ferdinando Gumppenberg durch den Lauf der Zeit zu manövrieren.
Je nachdem, ob gerade wieder die Franzosen oder die Österreicher in Mailand herrschten, war darin wohl auf verschlüsselte Weise mal eine Reverenz an den französischen Herrscher oder mal nur eine schlichte ländliche Szene zu erkennen. Im Dellarocca- oder Soprafino-Tarot befindet sich das Zeichen Gumppenbergs und der Name Dellaroccas zusammen mit der Steuermarke auf dem König oder Herr der Stäbe, also auf einer der Hofkarten.
Carlo Dellarocca
Wenig ist leider über den bereits vor 1812 nachweisbaren Künstler bekannt, der mit seinen inhaltlich komplexen Bildfindungen eines der schönsten klassischen Tarots überhaupt schuf. Die Karten sind in den Großen Arkana teils als bildhafte Szenen, teils emblematisch aufgefasst, gewähren Einblicke in weite Landschaften (La Luna; XVIII) oder zeigen sich mit ihrem Personal an der traditionellen Ikonografie orientiert.
So lässt die Figur der Karte Diavolo (XV) an Neptun mit dem Dreizack denken und in Gli Amanti (VI) ist die über den Liebenden schwebende und Pfeile schießende Gestalt Amor (Cupido). Auch in der Darstellung des Giudizio (XX) ist unschwer die ikonografische Vorlage des Jüngsten Gerichts und in der Darstellung der Fortitudo (XI) der Kampf des Herkules mit dem Nemeischen Löwen zu erkennen, eine Karte, in der Dellarocca sehr vom Marseiller Vorbild abweicht.
Der Tod (XIII) ist der aus der christlichen Ikonografie bekannte Sensenmann, die Karte erhielt den Namen "Dreizehn" (Il Tredici), wohl um die Bezeichnung des Todes direkt zu vermeiden. In ihrer Originalität, ihrem Einfallsreichtum und ihrer Frische sind die Bildschöpfungen Dellaroccas Vorbilder für viele spätere Tarots der nachfolgenden Jahrhunderte. Auch in ihrer farblichen Nuancierung sind die Karten von großer Schönheit und verraten die akademische Tradition, wie sie der Künstler an der der Hochschule in Mailand bei seinem Lehrer lernen konnte: dem italienischen Kupferstecher Giovanni Longhi, der an der Academia di Brera in Mailand Professor war. Dellaroccas Karten zeigen den Künstler zudem als einen versierten Stecher, vor allem in der Disziplin des Kupferstichs.
Das originale Deck: die Karten des frühen 19. Jahrhunderts
Die Drucktechnik, mit welcher Ferdinando Gumppenberg seine Karten vervielfältigte, ist die Chromolithografie. Die Auflagen dieses Decks sind also nicht, wie vielfach zu lesen, "handkoloriert", sondern es handelt sich bei den unter der Regie Gumppenbergs und auch später noch erschienenen Auflagen um Mehrfarbdrucke, also vielfarbigen Drucken auf einem Kalkschieferstein. Und das nicht zufällig, denn die Chromolithografie war im 19. Jahrhundert das einzige Druckverfahren, das eine große Auflage farbiger Drucke ermöglichte.
Von Gumppenberg sind auch schlichtere Tarot-Decks bekannt, die im Holzdruckverfahren hergestellt wurden und nicht an den Reichtum der Decks aus der Kooperation mit Dellarocca heranreichen. Bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts war das Tarot von Gumppenberg und Dellarocca so berühmt, dass eine Reihe anderer Stecher sich seiner unerschöpflichen Vorlagen bedienten (zum Beispiel Dotti, Milese, Lamperti und Negri).
Die Kleine Arkana (Classical Tarot)
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Die Stäbe im Tarot
Die Kelche im Tarot
Die Schwerter im Tarot
Die Münzen im Tarot
Classical Tarot - © Carlo Dellarocca
Die Struktur
Das Tarot Soprafino besitzt 78 Spielkarten und die Aufteilung in 22 Große und 56 Kleine Arkana. Wie die modernen Kartenspiele, die letztlich ebenfalls auf alte Tarots zurückgehen, weisen die Kleinen Arkana vier sogenannte "Farben" (Stäbe, Schwerter, Schalen oder Kelche und Münzen) auf, die Großen Arkana die sogenannten "Trümpfe" (ital. trionfi), woher auch der ursprüngliche Name und zugleich Oberbegriff "Tarock" stammt. Während die Farbkarten oft eine numerische Zählung besitzen, sind die als "Trümpfe" bezeichneten Karten diejenigen, mit denen man "sticht", also den Sieg oder Triumph (ital. trionfo) davonträgt.
Das Nachleben
Heutige Auflagen des Tarocco Soprafino stammen von Meneghello (1992) oder von Lo Scarabeo (1999), letztere in einer fotografischen Reproduktion. Eine Vielzahl von Einflüssen dieses berühmten Tarot-Decks lässt sich in vielen anderen heutigen Tarots nachweisen, entweder in der Entlehnung von einzelnen Details oder ganzer Bildfindungen. Zu den meistkopierten gehören der Kelch, die Justizia (XX) und das tanzende Paar auf Il Sole (XIX). Mit den 78 Karten des modernen, "Deck" genannten Satzes wird das Tarot heutzutage mehr für die Wahrsagerei als zum Spiel verwendet.
Tarot-Karten
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Große Arkana
Kleine Arkana - Die Stäbe
Kleine Arkana - Die Kelche
Kleine Arkana - Die Schwerter
Kleine Arkana - Die Münzen
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